Bürgeraufnahmen in Wiesbaden

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Herzog Adolph zu Nassau (1817-1905). Lithographie nach einer Zeichnung von F. Krüger, um 1845. Damals, als es noch einen Herzog von Nassau gab, war alles besser als heute, oder etwa nicht? Und wenn vielleicht doch nicht alles besser war, dann hat wenigstens Ordnung geherrscht. Zum Beispiel konnte man nicht einfach wohnen, wo man wollte - und schon garnicht, mit wem man wollte.

Im Stadtarchiv Wiesbaden liegen Originalakten zu Bürgeraufnahmen und Anträgen auf Heiratserlaubnis. Die Akten sind durch alphabetische Namensregister erschlossen, so daß es nicht schwierig war, die Vorgänge zu finden, die meine Vorfahren betreffen.

Da man aus diesen Akten einiges über die Zustände in der "guten alten Zeit" erfährt, gebe ich sie hier wörtlich wieder.


Weber / Brenner, 1818

Fundstelle: StadtA Wiesbaden BA 7211

Am 18. November stellt Karl Weber folgenden Antrag auf Heiratserlaubnis.

Herzoglich hochlöbliches Amt !

Der Bürger und Schneidermeister Carl Weber zu Wiesbaden bittet unterthänig um gnädige Gestattung seiner vorhabenden Heirath mit Elisabetha Brennerin von daselbst.

Ich bin bereits drey Jahren Bürger und Schneidermeister zu Wiesbaden und habe mich nunmehr entschloßen meine eigen Haushaltung anzufangen auch mich mit obig rebricirter Frauensperson zu verehelichen.

Da ich aber solches ohne Konsens eines Herzoglich hochlöblichen Amts nicht kann noch darf so suche hierum unterthänig nach

und harre ehrfurchtsvoll

Eines Herzoglich hochlöblichen Amts
unterthäniger
Supplicant

Am oberen Rand des Antrags befindet sich ein Stempel (Nr. 3) "Zehn Kreuzer". Vielleicht war das die Schreibgebühr, denn es scheint, daß der Antragsteller seinen Antrag garnicht selber schreiben durfte, sondern beim Amt hat schreiben lassen.

Neben dem Stempel ist die Bemerkung

[?].. d. 18. Nov 1818
Bergmann
dem H. Stadtschulheis
zum Bericht [?]
d. 18. Nov 1818
Berg

Wenigstens haben die Behörden flott gearbeitet, denn schon am selben Tag hat der Ortsvorstand den Antrag an das herzogliche Amt weitergeleitet.

An
herzogliches Amt zu Wiesbaden

Gehorsamster Bericht
des Orts Vorstands zu Wiesbaden Betreffend das Gesuch des Bürgers und Schneidermeister Carl Weber zu Wiesbaden um Gestattung seiner vorhabenden Heirath mit Elisabetha Bommerin von hier

Da Suplicant von hier ist und Vermögen besitzt und auch schon als Bürger und Schneidermeister angenommen ist, und seine Verlobte ebenfalls von hier ist und auch etwas Vermögen besitzt und beyde bis Dato einen guthen Lebenswandel geführt haben so ist gegen das Gesuch nichts einzuwenden und wird ... [willfahrung?] darauf angetragen.

Wiesbaden d. 18 Nov. 1818
... Stadt...

Auch hier ist ein Gebührenstempel (Nr. 4) oberen Rand, diesmal für zwanzig Kreuzer, aber so viel war diese Fürsprache bestimmt wert.

Die Antwort kam schnell (aber sehr unleserlich)

...retum
Kann der P..olami.t...ius ... werden

Wiesbaden am 21ten Nobr 1818

...
Freudenberg
8

exp. e ad.
auf Stpl Nr. 8

und schon am 6. Dezember des selben Jahres wurde geheiratet.

So einfach war das Heiraten für einen Bürger und Schneidermeister mit einem bescheidenen Vermögen, aber - wie der nächste Fall zeigt - beileibe nicht für jeden armen Schlucker.

Fuhrmann 1838-40

Fundstelle: StadtA Wiesbaden BA 2599

Der Vorgang um die Heirat von Andreas Fuhrmann beginnt - jedenfalls in den Akten des Stadtarchivs - am 24. Sept. 1838. Und er beginnt schon recht eigenartig
An
H. Landes Reg.
g g...
ad Reg:. 37285

Das Gesuch des Andreas Fuhrmann von Hattenheim, H. Amt Eltville, um Entlaßung aus dem Gefängniß und Gestattung des temporären Aufenthalts dahier, betreffend

Der unbewaffnet beurlaubte Soldat Andreas. Fuhrmann von Hattenheim befand sich im Frühjahr wegen einer syphilitischen Krankheit im hiesigen Hospital, entsprang daraus und wurde gleich darauf bei der Johannette Funk von hier, mit welcher er Umgang hat und die er heirathen zu wollen angiebt, angetroffen. Er hat sich späterhin längere Zeit dahier aufgehalten und durch unsittliches Zusammenleben mit der Genannten öffentlichen Anstoß erregt. Ich sah mich dadurch veranlaßt ihm den Aufenthalt in hiesieger Stadt zu untersagen, welche Verfügung um so mehr gerechtfertigt war, als aus den Verhältnißen des Andreas Fuhmann und der Johannette Funk anzunehmen ist, daß sie die Heirathserlaubniß nicht erhalten werden. Die erfolgte Ausweißung unbeachtet laßend fand sich Fuhrmann wieder dahier und wurde in der Nacht vom 14/15 l. Mts. in der Wohnung der Johannette Funk arretiert und am anderen.Tage wegen seines liederlichen Treibens und zwecklosen Aufenthalts in hiesiger Stadt mit einer dreitägigen Gefängnißstrafe belegt, nach deren Erstehung auch wiederholt von hier ausgewiesen, - darauf fand er sich abermals dahier ein, wurde in der Nacht 19/20 l. Mts. zum drittenmal bei seiner Verlobten festgenommen, hierauf zu einer zweitägigen Gefängnisstrafe verurtheilt und nach deren Verbüßung auf den Schub in seine Heimath gebracht. Eine Gefängnißstrafe hat Fuhrmann nicht mehr zu erstehen es muß somit seine Bitte um Entlaßung aus dem Arrest als verspätet unbeachtet bleiben. Das Gesuch um Gestattung des temporären Aufenthalts zu Wiesb. wird durch nichts unterstüzt [Einfügung am Rand] erscheint vielmehr nach den erwähnten Verhältnissen ganz unstatthaft [Ende Einfügung] und dürfte daher abzuweisen sein. Bericht unter Rücksendung der Vorstellung und Vorlagege eines ... aus dem Straf..u.. gehorsamst antragend bemerke ich noch, daß ein Gesuch des Andreas Fuhrmann um Heirathserlaubniß und ein weiteres um Gestattung des temporären Aufenthalts in hiesiger Stadt dem H. Amt zu Eltville mitgetheilt wurde um über ihn und seine Verhältniße die nöthigen Nachrichten zu erhalten

Wiesb. 24. Sept. 1838

[Randnotiz:]

Ad Reg. 37976

Dem Gesuch um Gestattung des temporären Aufenthalts zu Wiesb. ist nicht willfahrt worden
Wiesb. 29 Sptber 1838

Das ging dann wohl den Dienstweg ...
An H. Land Reg.

das Gesuch des Andreas Furhmann von Hattenheim, H. Amt Eltville, um Gestattung des temporären Aufenthalts zu Wiesbaden, betreffend

Indem ich die Vorstellung und den von dem Stadtvorstand dazu erstatteten Bericht hierüber vorzulegen mich beehre, trage ich unter Bezugnahme auf meine berichtliche Vorlage vom 24ten v. Mts. das Gesuch des Andreas Fuhrmann um Entlaßung aus dem Stadtgefängnis und Gestattung des temporären dahier betreffend, auf abschlägliche Bedeutung des Supplicanten gehorsamst an

Wiesb. 5 Oktober 1838

An H. Land Reg....
ad Reg: 36657

das Gesuch des unbewaffnet beurlaubten Soldaten Andreas Fuhrmann von Hattenheim, H. Amt Eltville, um Aufnahme in die Stadtgemeinde Wiesb. und Gestattung der Heirath mit Johannetta Funk von da, betreffend

Da Supplicant kein Vermögen und überhaupt die Mittel nicht besitzt, welche zur Ernährung einer Familie erforderlich sind und seine bisherige Aufführung in mancher Beziehung tadelhaft gewesen sein soll, und er überdieß seiner Militärdienstpflicht bis jetzt auch nicht vollständig Genüge geleistet hat, so trage ich auf Abweisung seines mit dem darüber eingegangenen Bericht hierneben zurückgehenden Gesuchs gehorsamst an. Rücksichtlich der mit dem Heiratshsgesuch ...barten Bitte um Entlaßung aus dem Stadtgefängniß beziehe ich mich auf Bericht des Polizeiamts vom 24. v. Mts das Gesuch des Andr. Fuhrmann um Entlaßung aus dem Stadtgefängnis und Gestattung des temporären Aufenthalts zu Wiesb. betreffend.

Wiesb. 8 Ocbr. 1838
ad Reg. 40423
dem Gesuche ist nicht willfahrt worden
Wiesb. 16 ? Octbr. 1838

Anscheinend war nichts zu machen mit Heiratserlaubnis. Aber Andreas Fuhrmann war hartnäckig und hatte im Einreichen von Gesuchen schon Übung.

An H. landes Reg.
ad Reg: 2286

Das abermalige Gesuch des Andreas Fuhrmann von Hattenheim, um Gestattung des temporären Aufenthalts zu Wiesbaden, betreffend

der Supplicant hat bereits zweimal um Gestattung des temporären Aufenthalt zu Wiesb. und einmal um Reception dahier nachgesucht wurde aber von H. Land.Reg. auf alle seine Gesuche abschläglich bedeutet. Zu der hierneben zurückgehenden Vorstellung wiederholt er lediglich was er ... den früheren Gesuchen angeführt hat, ich kann daher mich auf meine Berichte vom 24ten Sptbr und 5ten und 8ten Octbr v. Jhrs. beziehend, nur auf Abweisung der neuerdings vorgebrachten Bitte gehorsamst antragen, welcher Antrag um so so mehr gerechtfertigt erscheinen wird, als Supplicant nicht einmal Aussicht hat, in der gegenwärtigen Jahreszeit als Taglöhner dahier Beschäftigung zu finden

Wiesb. 18. Jan 1839

Absch. ad No R. 3425 Dem Gesuche ist nicht willfahrt worden
Wiesbaden 31. Jan 1839
...

Dann hat er sich wohl gedacht: "Wenn es nur an der Jahreszeit liegt, wenn die mich in Wiesbaden nicht haben wollen, dann probier' ich es halt im Frühjahr noch mal."
An Herzogl. Landes Regierung

Zum wiederholten Gesuche des Andreas Fuhrmann von Hattenheim um Reception in der Stadtgemeinde Wiesbaden, Gestattung der Heirath mit Johannette Funk daselbst, eventuell um Gestattung des temporären Aufenthalts daselbst.

Dieses abermalige Gesuch mit dem zugezogenen Vorbericht hoher Stelle vorlegend, erlaube ich mir gehorsamst zu bemerken: zu den früheren Gesuchen des Supplicanten habe ich am 24ten Septb. 5ten und 8ten Octob. v. J. sodann am 18ten Januar d.J. Bericht erstattet, auf welchen letzten Bericht .. 31. Januar d.J. ad N.R. 3125 abschlägiger hoher Decret erfolgte. Bittsteller hat in seinem jetzigen Gesuche aus(?) Grund nichts vorgebracht, weßhalb ich nur auf abschlägige hohe Resolution gehorsamst antragen kann.

Wiesbaden d. 25 April 1839

Man wollte ihn in Wiesbaden also wirklich nicht haben. Aber diesmal hat die Herzoglich Nassauischen Landesregierung immerhin ein Antwortschreiben auf Kanzleipapier mit gedrucktem Briefkopf verfaßt.
Herzoglich Nassauische
Landes-Regierung
ad.NumReg: 16923
an

den H. Amtmann, Herrn Justizrath Schweikart, dahier.

Auf Ber: v. 25. v. M des wiederholten Gesuch des Andreas Fuhrmann von Hattenheim, um Reception nach Wiesbaden, Gestattung der Heirath mit Johannetta Funk daselbst und eventuel um Gestattung des temporären Aufenthalts daselbst btrf.

Dem früheren Receptions-Gesuche konnte nicht willfahrt werden , weil Bittsteller die gesetzliche Militärdienstzeit noch nicht erstanden hatte. Daher erfolgte das abschlägliche Decret vom 10. Oktober v. J. da er aber am 6. Dezember 1832 ..entiert worden ist ; so wird er nunmehr den Abschied erhalten haben es sey denn, daß er als Folge einer Rea(?)ssentirung eine längere Dienstzeit auszuhalten habe. Sie werden den die Absched einfordern oder geeignetenfalls das Dienstverhältniß durch Communnication mit H. Amt Eltville ermitteln. Sollte Bittsteller die sechsjährige Dienstzeit treu erfüllt haben, so wird sein Gesuch um so mehr Berücksichtigung verdienen, als er einne Angehörige der Stadt Wiesbaden heirathen will; und sich als Taglöhner dahier ernähren kann. Auch würde dadurch der Beschwerde wegen des verbotenen Umganges beseitigt werden. Wenn Bittsteller nicht in dem Hause seiner Verlobten wohnt und sich dahier durch Arbeit auf rechtliche Weise ernährt, so kann ihm der Aufenthalt auf bestimmte Zeit gestattet werden. Wir remittiren die Beilagen und sehen der weiteren Berichts-Erstattung entgegen.

Wiesbaden, 2 May 1839
Müller

Na bitte, die Landesregierung besteht ja garnicht nur aus Unmenschen :-)
An
Herzogl. Landes Regierung
ad N. R. 16,923

Auf Bericht vom 2ten Mai 1839 das wiederholte Gesuch des Christian Fuhrmann von Hattenheim, um Reception auf Wiesbaden und Gestattung der Heirath mit Johannette Funk daselbst betr.

Ich habe den Supplicanten vernommen und von ihm erfahren, daß derselbe erst mit dem 1 ten December l. J. seine sechsjährige Militärdienstzeit zurückgelegt habe. Auf seine Angabe soll sein Urlaubspaß mit seinem ersten Gesuche hoher Stelle vorgelegt und noch nicht zurückgeschickt worden sein. Das Gesuch mit seinen Anlagen schließe ich wieder bei

Wiesbaden am 6ten Mai 1839

Exp. 7. May

Herzoglich Nassauische
Landes-Regierung
ad.NumReg: 18147
an

Herzoglichen Amtmann, Herrn Justizrath Schweikart, dahier.

Auf Bericht vom 6ten d. M. das Gesuch des Christian Furhmann von Hattenheim, H. Amt Eltville um Reception nach Wiesbaden und Gestattung der Heirath mit Johannetta Funk daselbst, betrf.

Das abschlägige Decret wird Ihnen hierbei zur Beförderung mit dem Bemerken zugefertigt, daß der Urlaubspaß des Bittstellers sich nicht bei den hiesigen Acten befindet.

Wiesbaden 11. May 1839
Müller

Abschrift
dem wiederholten Gesuche des ... um ... steht umsowenger zu willfahren, als er den Abschied aus herzoglichen Militärdiensten noch nicht erhalten hat

Wiesbaden 11. May 1839
G. K. C. ..
Müller

Irgendwie hat sich anscheinend der Urlaubspaß noch gefunden, denn am 3.2.1840 wurde er als Büger in Wiesbaden aufgenommen und am 1.3.1840 konnte er seine Johannette heiraten.

Aber sehr lange hat das Glück nicht gedauert, schon am 22.3.1843 ist sie gestorben.

Fuhrmann 1848

Fundstelle: StadtA Wiesbaden BA 2600

Der verwitwete Andreas Fuhrmann hat nochmal um eine Heiratserlaubnis nachgesucht. Diesmal war es nicht so ein Drama, er war ja immerhin inzwischen Wiesbadener Bürger.
An ... Stadt... Wiesbaden

gehorsamste Vorstellung des hiesigen Bürgers Andreas Fuhrmann, um Gestattung der Heirath mit Barbara Mangold von Werschau H. Amt Limburg.

Zur besseren Führung meiner Haushaltung finde ich es besser wenn ich mich wieder vereheliche. Indem ich daher den Todesschein meiner früheren Frau, sowie meinen ... und meinen Taufschein ... vorzulegen mir erlaube, bitte ich, da ich eine Familie zu ernähren im Stande bin, hohe Stelle gehorsamst mir die Heirath mit Barbara Mangold ... zu gestatten.

Verehrungsvoll
Herzoglichen Amts ...
... gehorsamster Supplicant.

Verwaltungstechnisch hatte man inzwischen Fortschritte gemacht. Es gab jetzt ein vorgedrucktes Formular, mit dem der Ortsvorstand ein Gesuch um Aufnahme in die Gemeinde als "gehorsamsten Bericht" an das Herzogliche Amt weiterleiten konnte.

An
Herzogliches Amt zu Wiesbaden

gehorsamster Bericht des Stadt-Vorstandes zu Wiesbaden [auf dem Vordruck steht "Orts-Vorstandes", das hat der Beamte handschriftlich geändert]

Betreffen das Gesuch des hiesigen Bürgers Andreas Fuhrmann um Wiederverehlichung mit der ledigen Barbara Mangold von Werschau und Reception derselben.

1) Supplicant ist laut anliegendem Taufschein .. alt... ist hiesiger Bürger.
2) ist gesund
3) von den Eltern lebt niemand mehr
4) Supplicant hat -- Geschwister
6) Seine Aufführung ist gut
7) Das Vermögen des Supplicaten besteht in etwa fünfzig Gulden
8) Treibt das Gewerbe des Taglöhner
...
12) Sich verehelichen mit Barbare Mangold diese ist alt 36 Jahre, von guder Aufführung, und hat an Vermögen in ... zweihundert und zwanzig Gulden an Mobilien(?) und ... zu achtzig Gulden also im Ganzen dreihundert Gulden
...
16) Die Eltern sind tot...
17) Der Orts-Vorstand hat gegen das Gesuch nichts einzuwenden.

Wiesbaden, 10 Januar 1844
... Schultheiß
[Unterschriften]

Da die Braut von auswärts war, mußte das Amt in Limburg gefragt weden.
... an H....Amt in Wiesbaden mit dem Bemerken, daß dem Abzug der Braut von hier aus nichts entgegen steht.

Limburg, 13 Jan. 1844

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